Im Schützengraben lernen für Matura
Sechs Linzer trafen sich 75 Jahre nach ihrer Reifeprüfung – 1946 erste Absolventen nach dem Weltkrieg
Am 8. Juli 1946 bestanden sechs noch lebende Linzer ihre Matura im Akademischen Gymnasium Linz. Beim Wiedersehen nach 75 Jahren im Linzer Promenadenhof wurde viel gelacht, auch über lebensgefährliche Erinnerungen: „Oft musste der Professor den Unterricht im Schützengraben wegen eines Luftangriffs unterbrechen.“
Als wäre vieles gestern passiert! Die Klassenkameraden des Matura-Jahrgangs 1946 kicherten wie Junggebliebene über so manchen Streich, den sie Lehrern und Mitschülern spielten. Nur wenig wurde über ihre beruflichen Karrieren gesprochen. Die können sich aber sehen lassen:
Hans „Beni“ Pollan war Direktor der Weltbank, Christian Beurle leitet als Generaldirektor die Brau Union und war Präsident der Industriellenvereinigung, Gottfried Eypeltauer wurde Rechtsanwalt. Seine Frau war Staatssekretärin, sein Enkel Felix ist Neos-Politiker. Friedrich Gleißner, der Sohn des legendären LH Heinrich Gleißner arbeitete bei der Wirtschaftskammer. Klaus Strigl half als Psychologe und Otto Vogel unterrichtete als Mittelschulprofessor. Zwei noch lebende Mitschüler fehlten. „Alle anderen sind leider schon verstorben“, erzählt Gleißner.
Banker Pollan erinnert an sich an 1944: „Wir wurden alle als Flakhelfer eingesetzt. Die Professoren kamen zum Unterricht in den Schützengraben. Bei einem Luftangriff haben wir einen Bombenhagel knapp überlebt.“ Eypeltauer gibt zu: „Bei der Matura haben die Professoren Milde walten lassen. Sie war nicht schwer.“ Strigl hebt den Zeigefinger: „Wir hatten viele Nazis als Lehrer. Da musste man aufpassen, was man erzählte. Es gab welche, die ungehorsame Schüler und deren Eltern vernaderten.“
Der heutige Schuldirektor Wolfgang Zechmeister würdigte die Jubilare: „Ich habe meinem Kollegium und den Schülern von Ihnen erzählt. Wir sind alle sehr stolz auf sie und ihr Leben.“ Einhelliger Tenor der Maturanten 1946: „Wir haben überlebt. So eine Zeit darf nie wieder kommen. Gott sei Dank funktioniert unsere Demokratie trotz der Vorkommnisse in der Politik zuletzt.“
Reinhard Waldenberger